Unternehmenskultur und Leadershipkultur verstehen

Vermutlich war es noch nie von größerer Bedeutung, Führungskräfte in Unternehmen zu haben, die sich dem Zeitgeist anpassen können. Führungskräfte werden heute vor enorme Herausforderungen gestellt und sind zunehmend großem Druck ausgesetzt. Digitalisierung, Krisen, Disruptionen verursachen derzeit tiefe Verunsicherung in Menschen. Tradierte Strukturen werden über den Haufen geworfen und bestehende Systeme infrage gestellt. Noch nie war es so schwierig für Organisationen, Talente zu rekrutieren und zu halten – ebenso gilt dies auch für Führungskräfte. 

Kompetente Führungspersönlichkeiten zu finden, wird für Unternehmen zunehmend zu einer schwierigen Aufgabe. Denn auch Unternehmen können bei den aktuell unvorhersehbaren Veränderungen leicht den Fokus aus den Augen verlieren. Es ist die Rede von Future Skill-Sets – Agilität, Flexibilität, Technik-Affinität, Innovationsgeist, Kommunikationsstärke. Dabei sind Soft Skills gefragter denn je und schlagen mittlerweile fachliche Kompetenzen um ein Vielfaches. Doch wenn die Umwelt sich im ständigen Wandel befindet, an welchen Parametern lässt sich eine gute Führungskraft eigentlich noch messen?

Eine altbewährte und wissenschaftlich fundierte Methode bieten Persönlichkeitstests. Anhand der Persönlichkeit lassen sich Tendenzen, Wertesysteme und auch Motivationen feststellen. Die Persönlichkeit bietet in Zeiten wie diesen eine der wenigen Konstanten, die äußerlichen Erschütterungen standhalten kann und letztendlich die Basis menschlicher Beziehungen bildet. Dieser Blogbeitrag soll Ihnen einen kleinen Überblick über die von uns erachtet wichtigsten und gängigsten Persönlichkeitstest geben. Doch bevor wir auf die Tests und ihre Anwendungen eingehen, möchten wir uns zunächst dem Begriff der Persönlichkeit theoretisch annähern: 

„Persönlichkeit ist die dynamische Ordnung derjenigen psychophysischen Systeme im Individuum, die seine einzigartigen Anpassungen an seine Umwelt bestimmen.“, Gordon Allport.

Als Persönlichkeit bezeichnet man einfach gesagt die Gesamtheit aller Eigenschaften oder typischen Merkmale einer Person. In der Fachliteratur lassen sich dennoch etliche Definitionen des Begriffs der Persönlichkeit finden. Dort wird auch der Begriff der Persönlichkeitseigenschaften differenziert. Diese Eigenschaften sind nicht fest, sondern werden als Tendenzen/Dispositionen des Verhaltens bezeichnet, welche über eine längere Zeitspanne hinweg durch erlebte Situationen geprägt werden. 

Aus wissenschaftlicher Sicht wurden zahlreiche Konzepte entwickelt, Einflüsse aufzuarbeiten, die an der Persönlichkeitsentfaltung beteiligt sind. An dieser Stelle lässt sich grob sagen, dass Einflüsse wie Genetik, Kultur, Familie, soziales Umfeld und Medien einen erheblichen Beitrag zu der Formung der Persönlichkeitsstruktur leisten. Während Persönlichkeitsmerkmale sich wenig oder gar nicht verändern lassen, können Kompetenzen auf der anderen Seite antrainiert werden. Typische Charaktermerkmale wären bspw. Extraversion/Introversion, Offenheit oder Gewissenhaftigkeit, wobei wir bei bspw. Überzeugungskraft, Vertrauenswürdigkeit oder Zielsetzung von Kompetenzen sprechen.

Welche Rolle die Persönlichkeit in Beziehung zum Führungserfolg hat, ist im Wesentlichen unklar. Ältere Studien aus Norwegen und den USA konnten anhand von Stichproben feststellen, dass bestimmte Ausprägungen von Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen zu einer höheren Erfolgsquote führen. Der Erfolg einer Führungskraft kann sich unterschiedlich messen lassen. Dennoch sind die Produktivität und Rentabilität im Unternehmen zwei der signifikantesten Kenngrößen, welche auch als Spätindikatoren bezeichnet werden. Zu den Frühindikatoren gehören Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit.

Doch die Messung der Persönlichkeit dient nicht nur als Performance-Indikator. Auf Basis der ermittelten Daten kann vor allem ein Abgleich mit dem Wertesystem des Kandidaten und der Kultur des Unternehmens vorgenommen werden. Ist hier ein passgenauer Match möglich, kann eine langfristig erfolgreiche Beziehung aufgebaut werden.

Persönlichkeitstests zur Messung des Charakters von Führungskräften

BIG 5 

Die BIG 5, auch OCEAN- oder Fünf-Faktoren-Modell genannt, fand seinen Entstehungszeitraum in den 1930er Jahren und wurde durch Louis Thurstone, Gordon Allport und Henry Sebastian Odbert anhand von Sprachanalyse begründet. Es geht davon aus, dass jedem Menschen in verschiedenen Ausprägungsgraden 5 Charaktereigenschaften zugrunde liegen:

  • Offenheit (aufgeschlossen, wissbegierig, neugierig, abenteuerlustig, experimentierfreudig, kontaktfreudig, künstlerisch interessiert)
  • Gewissenhaftigkeit (sorgfältig, präzise, verantwortungsbewusst, zuverlässig, besonnen, diszipliniert, planend, organisiert, effektiv, kontrolliert, selbstbeherrscht)
  • Extraversion (gesprächig, heiter, optimistisch, selbstsicher, energisch, aktiv)
  • Verträglichkeit (empathisch, rücksichtsvoll, wohlwollend, kooperativ, kompromissbereit, gesellig, verständnisvoll)
  • Neurotizismus (emotional, unsicher, erschüttert, nervös, ängstlich, betroffen, beschämt, verlegen, traurig)

Das Modell ist mehrfach verifiziert und zur Persönlichkeitsdiagnostik anerkannt, unabhängig vom Kulturraum. Jede Ausprägung definiert einen bestimmten Charaktertypen. Die oben erwähnte Studie aus Norwegen vom Administrative Research Institute (AFF) der Norwegian School of Economics aus dem Jahr 2011 bspw. zeigte, dass besonders erfolgreiche Führungskräfte äußerst hohe Werte in den 5 Dimensionen erzielten. 

BP-Basisprofil

Dieser normative und qualitätsgeprüfte Persönlichkeitstest misst die Persönlichkeitsdimensionen des Big-Five-Modells und legt zusätzlich noch Wert auf bestimmte Skalen. Diese Skalen wurden bei prognostischen Validierungen bzw. Untersuchung als besonders entscheidend für den Berufserfolg statuiert. Die Dimensionen des Big-Five-Modells werden nach Ergebnissen der Untersuchungen weiter differenziert in:

  • Pflichtgefühl 
  • Ehrgeiz
  • Energie 
  • Geselligkeit
  • Einflussnahme 
  • Stabilität 
  • Anpassung 
  • Struktur 
  • Kreativität 
  • Risikobereitschaft

Der Test ist nach Kriterien der EFPA (European Federation of Psychologists’ Associations) geprüft und wird von der STP (Stiftung für Angewandte Psychologie) empfohlen.

Profile XT

Das psychometrische Profiling oder auch PXT ist ein Instrument, welches das Persönlichkeitsprofil eines Kandidaten auf Basis von drei Faktoren misst. Dieses Profil soll sich passgenau mit der Kultur und dem Wertesystem der Organisation decken sowie auch zur Unternehmensvision passen. Gemessen werden dabei:

  • kognitive Fähigkeiten
    • Lernindex
    • Verbaler Ausdruck /-Denken
    • Umgang mit Zahlen/ Numerisches Denken
  • Verhaltensmerkmale 
    • Energie-Ebene
    • Durchsetzungsstärke
    • Soziale Ausrichtung
    • Lenkbarkeit
    • Grundeinstellung
    • Entscheidungsstärke
    • Kompromissfähigkeit
    • Unabhängigkeit
    • Objektivität
  • berufliche Interessen
    • Unternehmergeist
    • Technologie
    • Mechanik
    • Dienst am Menschen
    • Kreativität
    • Finanzen/Verwaltung

Das Resultat der Messung ist der Vergleich des Soll- und Ist-Profils. Nach Abstimmung mit dem Anforderungsprofil der Organisation wird das Stärkenprofil und Wertesystem des Kandidaten ermittelt und angeglichen. Fluktuationen und Low-Performer können somit im Vorfeld identifiziert werden. Die Führungskraft und das Unternehmen kommen damit zu einem perfekten Cultural Fit und Job Match.

FSI-Leadershiptest

FSI-Leadershiptest, auch Führungsstil-Inventar-Test, baut auf dem von Ekvalls & Arvonens entwickelten CPE-Modell auf. Es ist ein Testverfahren, womit nicht auf die Persönlichkeit selbst Wert gelegt wird, sondern eher auf den Führungsstil der potenziellen Führungskraft. Dazu werden bereits erforschte Führungsstildimensionen hinzugezogen: 

  • Bewahrend – Verändernd: Veränderung, Strategie, Enthusiasmus
  • Unabhängig – Relationsorientiert: Relationen Mitarbeiter, Partizipation, Relationen Übergeordnete
  • Flexibel – Strukturiert: Kontrolle, Planung, Leistung

Diese Dimensionen entsprechen einer fließenden Skala zwischen zwei Extremen, wobei jede Extreme als besonderer Führungsstil erachtet wird. Zu dem Grundmodell werden weiterhin Zusatzskalen gemessen:

  • Beschlussfähig
  • Sozialer Mut
  • Stresstoleranz

Dieser Test ähnelt einem Persönlichkeitstest im Aufbau, ist jedoch darauf ausgelegt, das Handeln, Denken und Fühlen einer Führungskraft in verschiedenen Situationen zu ermitteln. Er wurde auf Basis einer Dissertation entwickelt und hängt eng mit der Führungsstilforschung zusammen.

Kultur Matcher

Der Kultur Matcher ist weiteres fundiertes Instrument, um die kulturelle Passung, also den Cultural Fit eines Kandidaten mit dem Unternehmen zu messen. Es werden Unternehmenskultur und die gewünschte Kultur des Kandidaten ermittelt. Bei der Messung der Unternehmenskultur werden 9 Dimensionen erfasst:

  • Work-Life-Balance (Verhältnis von Privatleben und Karriere)
  • Autonomie – Hierarchie (Verhältnis von Freiheit/Autonomie und Regeln)
  • Arbeitsumfeld (Verhältnis von professioneller Distanz und familiärem Umfeld)
  • Innovation – Tradition (Verhältnis von Beständigkeit/Altbewährtem und Neuem)
  • Wettbewerb – Genügsamkeit (Verhältnis von Leistungsdruck und genügsame Zielerreichung)
  • Vorsicht – Risiko (Verhältnis von Risikovermeidung und Risikobereitschaft)
  • Leistungsorientierung (Verhältnis von leistungsorientiertem Handeln und zurückhaltendem Agieren)
  • Ich/Wir-Orientierung (Verhältnis von Selbstorganisation und Teamarbeit)
  • Zweckorientierung – Integrität (Verhältnis von rücksichtsloser Zielerreichung und Ehrlichkeit/Rechtschaffenheit)

9 Levels of Values Systems

Dieses auf Basis von Clare W. Graves Theorie entwickelte Modell hilft bei der Darstellung und Messung von Wertesystemen. Danach definieren sich Werte als konstitutive Elemente der Kultur und sind Sinn- und Bedeutungsgeber eines Sozialsystems. Diese Werte bestimmen Denken und Verhaltensweisen von Menschen, Abteilungen und Organisationen und sind letztendlich für die Prägung der Unternehmenskultur verantwortlich. Das Modell kann unterstützend dabei wirken, das Agieren und Reagieren innerhalb einer Organisation nachzuvollziehen. Die Werte des Systems teilen sich wie folgt auf:

Erster Rang: Bedürfnisorientierung

  • Level 1 Beige (fundamentale Stufe des Lebens und Bewusstseins)
  • Level 2 Purpur (Mitglied einer Gemeinschaft)
  • Level 3 Rot (Eroberung und Herrschaft neuer Gebiete)
  • Level 4 Blau (Suche nach Regeln und Gesetzen, Teil eines Ordnungssystems)
  • Level 5 Orange (Erfolg und Streben nach Wohlstand)
  • Level 6 Grün (Erfolg ist Ergebnis richtiger Teamkonfiguration)

Zweiter Rang: Sein-Orientierung

  • Level 7 Gelb (im Mittelpunkt steht Wissensvermehrung, Flexibilität, Kompetenz und Unabhängigkeit)
  • Level 8 Türkis (Handeln motiviert durch Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit)
  • Level 9 Koralle (Liebe, Respekt und Charisma)

Dieses Modell schafft es, die sich ständig wandelnden Bedingungen in ihrer ganzen Dynamik abzubilden und dabei auf fundierte Erklärungstheorien zurückzugreifen.

DELTACON Executive Search kann Ihrem Unternehmen durch fundierte und genaue Analyse des Kandidatenprofils Führungskräfte vermitteln, mit denen Sie eine passgenaue Abstimmung mit Ihrer Organisation erlangen. Mithilfe unserer patentierten PURE-Methode stellen wir sicher, dass ein präziser Cultural Fit vorhanden ist, sodass maximale Produktivität und minimales Risiko entstehen – und dies auf lange Sicht. 

Von Dirk Aaron Bohl

Personalberater für Lebensmittelindustrie, Getränkeindustrie, FMCG, Lebensmitteleinzelhandel und Foodservice

Dirk Aaron Bohl ist Managing Partner der DELTACON Münster Executive Search und unterstützt als Executive Profiler© Unternehmen bei der Besetzung ihrer C-Levels und Geschäftsführer im Bereich FMCG & Lebensmittelindustrie, der Getränkeindustrie sowie dem Foodservice. Davor bekleidete er verschiedene Top-Managementpositionen in namhaften Unternehmen der Lebensmittelindustrie.