E-Auto-Boom: Neue Herausforderungen im Maschinenbau
Seit Jahren steigt der Anteil der Elektroautos auf den Straßen weltweit. Allein in Deutschland waren im Oktober 17,1 Prozent aller neu zugelassenen PKW mit einem Elektroantrieb (BEV) ausgestattet. Der Anteil der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sinkt dagegen stetig. Das verändert auch den Maschinenbau als produktionstechnischen Wegbereiter der E-Mobilität massiv. Auch die Suche nach Fach- und Führungskräften mit passenden Kenntnissen im Maschinenbau wird immer schwieriger. Eine Bestandsaufnahme. Trotz des Chipmangels, der die Automobilhersteller aktuell massiv belastet, ist der Siegeszug der E-Mobilität in Deutschland und in vielen Regionen weltweit nicht mehr aufzuhalten. Gegen den Trend konnten die Neuzulassungen von BEVs hierzulande nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes im Oktober um 17,1 Prozent zulegen. Allein bis Ende September übertraf die Zahl der neu zugelassenen rein elektrischen PKW mit rund 236.700 Fahrzeugen bereits die Zulassungen des gesamten Jahres 2020. Auch die Zahl der öffentlichen Ladesäulen in Deutschland, für viele potenzielle Käufer ein entscheidendes Kriterium beim Kauf eines E-Autos, steigt stetig. Bereits 2020 kamen insgesamt mehr als 3.000 neue Ladepunkte hinzu, im Dezember 2020 standen den Autofahrern deutschlandweit schon 16.800 Ladesäulen zur Verfügung. Und der Ausbau geht mit hohem Tempo weiter.
Maschinen für klassische Antriebe: 25 Prozent weniger Investitionen bis 2030
Doch der wohl größte Umbruch in der Geschichte des Automobils bringt auch für die Maschinenbauer, als wichtigen Enabler des Wandels hin zur Elektromobilität, enorme Herausforderungen mit sich. So werden etwa die weltweiten Investitionen in Werkzeugmaschinen, die beispielsweise für die Produktion von Motoren und Getrieben benötigt werden, laut einer aktuellen Studie von derzeit 5,9 Milliarden Euro um ein Viertel auf 4,4 Milliarden Euro im Jahr 2030 schrumpfen.
Das Problem dabei: Der Antriebsstrang eines Elektroautos unterscheidet sich massiv von dem eines Autos mit Verbrennungsmotor, besteht aus weit weniger Teilen und ist weniger komplex. So sinkt die Anzahl der wesentlichen Komponenten von 30 bei einem Fahrzeug mit Verbrenner auf unter zehn bei einem BEV. Die OEMs in der Automobilindustrie sind deshalb intensiv dabei, ihre Produktionsanlagen auf die steigenden Stückzahlen von E-Autos umzurüsten. So sagte etwa BMW-Chef Oliver Zipse schon im November 2019 bei der Eröffnung des BMW-Kompetenzzentrums Batterie in München: „Wir sehen jetzt gerade in diesen Tagen, dass die systemintegratorische Kompetenz für die Produktion ganz kriegsentscheidend ist.“
Aktuelle Aussagen von VW-Chef Herbert Diess zu dem Thema, dass der derzeit erfolgreichste Elektrofahrzeughersteller Tesla etwa 10 Stunden zur Produktion eines Fahrzeuges benötige, VW selbst aber etwa 30 Stunden, zeugen unter Anderem davon, dass es in der Systemintegration, die einen wesentlichen Einfluss auf die Herstell- und Montagezeit hat, noch Potentiale zu heben gibt.
Maschinen für E-Mobilität: Plus zehn Prozent jährliches Investitionswachstum bis 2030
Entsprechend groß ist der Bedarfsrückgang bei Maschinen für die Produktion von Verbrennungsmotoren, der von Experten auf minus 65 Prozent bis 2030 geschätzt wird. Im Gegenzug werden Investitionen in Maschinen, die für die Produktion von Elektroautokomponenten und Batterien benötigt werden, bis 2030 um mehr als zehn Prozent jährlich zulegen. Trotz des raschen Bedarfswachstums in diesem Bereich, wird es noch eine Weile dauern, bis der Rückgang bei den konventionellen Antrieben von den Unternehmen der Maschinenbaubranche kompensiert werden kann.
Für Maschinenbauer bedeutet das, dass sie schnellstmöglich ihre Nachfrageplanungen entsprechend anpassen und die eigene Produktion in Richtung Elektrifizierung des Antriebsstrangs umbauen müssen. „Der Maschinenbau ist zentraler Akteur des technologischen Wandels, wenn es um die Elektrifizierung des Antriebsstrangs in Fahrzeugen geht“, sagt etwa Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA.
E-Mobilität erfasst immer mehr Bereiche
Der Wandel betrifft aber längst nicht nur die Automobilindustrie, der gesamte Sektor Mobilität befindet sich im Umbruch: Neben der Elektrifizierung des Autos halten elektrische Antriebe zunehmend auch in anderen Bereichen, wie der Containerschifffahrt und bald auch in der berufsmäßigen Luftfahrt, Einzug. Auch der enorme Boom bei E-Bikes und elektrisch angetriebenen Rollern erfordert immer neue, kreative Vorschläge von der Industrie. „Es werden vor allem Maschinenbaulösungen sein, die die Batteriekosten reduzieren, Leichtbau ermöglichen oder die Produktionstechnologien für Leistungselektronik und Elektromotoren verbessern“, ist sich VDMA-Vize Rauen sicher.
Besonders vom Wandel betroffen sind die Werkzeugmaschinenbauer. Dazu trägt auch bei, dass etliche Arbeitsschritte, die vor allem bei der Fertigung von Verbrennungsmotoren anfallen, wie Ver- und Zerspanen, für die Produktion von E-Fahrzeugen weit weniger benötigt werden. Leicht veranschaulichen lässt sich die zurückgehende Komplexität beim Getriebe: Waren für konventionelle Automatikgetriebe bislang bis zu neun Gänge nötig, kommen Elektroautos fast immer mit nur einer Übersetzung aus. Es werden also weitaus weniger Zahnräder für ein Getriebe benötigt. Eine komplett neue Wertschöpfung wird es lediglich bei Batteriezellen geben, die die wegfallenden Komponenten aber nicht ersetzen kann.
Bereits 2025 sind 27 Millionen Neufahrzeuge weltweit elektrifiziert
Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass bereits 2025, also in vier Jahren, gut 27 Millionen elektrifizierte Automobile die Werkshallen der Automobilhersteller verlassen werden. Das wird etwa ein Viertel der geschätzten weltweiten Produktion sein. Rund sieben Millionen Einheiten davon werden voll elektrische Automobile sein. Etwa acht Millionen Einheiten werden 2025 mit einem Mildhybrid vom Band laufen.
Ab Mitte des Jahrzehnts dürfte sich das Wachstum noch beschleunigen. Denn ab 2025 treten die ersten Verkaufsverbote für Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor in Kraft. Beispiele sind ab 2025 China, Indien, Island, Israel, Irland sowie Norwegen und die Niederlande (2030). Ein Jahrzehnt später (2040) folgen Frankreich, Großbritannien, Taiwan und der US-Vorreiter Kalifornien. In vielen weiteren Staaten sind vergleichbare Verbote wohl nur noch eine Frage der Zeit, um den globalen Klimawandel in den Griff zu bekommen.
Hoher Handlungsbedarf bei Verbrennungsmotor-Spezialisten
Besonders betroffen vom Rückgang bei konventionellen Antrieben sind Maschinenbau-Unternehmen, die bislang auf wenige Maschinen für Teile eines Verbrennungsmotors spezialisiert waren. Sie müssen schnellstmöglich ihre Kompetenzen erweitern und die Produktpalette diversifizieren. Spezialisten etwa für die Getriebefertigung von Verbrennern sollten den Geschäftsbetrieb zügig auch in Richtung Elektroantrieb erweitern. Das erfordert jedoch eine strategische Neuausrichtung des Unternehmens durch das Management, die nicht nur die Entwickler, sondern auch den Vertrieb betrifft. Es ist also ein ganzheitliches Umdenken im gesamten Unternehmen notwendig.
Entscheidend wird auch sein, den Blick über den europäischen Markt hinaus zu richten. Internationale Märkte wie China werden für künftiges Wachstum immer wichtiger. Speziell im Reich der Mitte schreitet die Elektrifizierung in großen Schritten voran. Nicht nur internationale Automarken bieten hier große Wachstumschancen für Maschinenbauer, sondern auch viele lokale, chinesische E-Auto-Anbieter.
Natürlich hat der massive Schwenk der Automobilindustrie in Richtung E-Mobilität auch massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Experten schätzen, dass in der Kernbranche der deutschen Industrie viele Tausend Arbeitsplätze wegfallen, aber auch viele Tausend neue entstehen werden. Eine aktuelle Analyse geht davon aus, dass der Schwenk in Richtung Elektroauto in den zehn Jahren ab 2020 allein bei den OEMs 70.000 Arbeitsplätze kosten wird. Auf den Antriebsstrang spezialisierte Supplier für konventionelle Antriebe könnten bis zu 95.000 Jobs verlieren. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Bis zu 95.000 neue Jobs könnten bei Lieferanten entstehen, die auf E-Mobilität spezialisiert sind, etwa in den Bereichen der Batteriezellenfertigung oder der Ladeinfrastruktur.
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Damit der Umbau gelingen kann, braucht es neben der Einsicht zur Notwendigkeit auch die passenden Führungskräfte in den Maschinenbau-Unternehmen. Zwei Faktoren die zusammengehören wie die Henne und das Ei.
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Zeit für Veränderung!
Von Thomas Wild
Personalberater für Maschinenbau, Anlagenbau und Industriearmaturen
Thomas Wild ist Managing Director der DELTACON Koblenz GmbH Executive Search und verantwortet mit seinem Team die Branchen Maschinenbau, Anlagenbau und Industriearmaturen. Er verfügt über mehr als 20 Jahre operative Managementerfahrung als Managing Director und Vertriebsleiter in seinen Branchen.