Digital Leadership im Zeitalter New Work
Die Digitalisierung schafft für Umwelt und Mensch neue Herausforderungen an die Führungskräfte. Und auch Unternehmen erfahren eine komplette Umgestaltung interner Strukturen, Strategien und Arbeitsweisen. Technologien spielen für Unternehmen wichtige Schlüsselkomponenten, welche diesen Wandel gewinnbringend unterstützen können. Der Mehrwert, der sich für Unternehmen aus dem digitalen Potenzial ergibt, kann nur entsprechend geschöpft werden, wenn Führungskräfte ihr Führungsverhalten an die existierenden Bedingungen angleichen. Denn der digitalen Wandel formt Gesellschaft neu, und auch ihre Wertesysteme unterziehen sich einer Hinterfragung, mit anschließender Adaption. In einem solch komplexen Umfeld wird die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen überwiegend von Unsicherheiten dominiert. Unvorhersehbare Umstände können das Gestalten von Planungsprozessen und Erreichung von Zielsetzung nur schwierig realisieren – Führungskräfte sind bei aktuellen Entwicklungen gefordert, diesen Herausforderungen mit moderner Führung zu begegnen.
Worin bestehen die größten Veränderungen durch die Digitalisierung in Organisationen?
Tools und Software werden Menschen ortsunabhängig, synchron/asynchron weltweit vernetzen und dafür sorgen, dass Arbeitsprozesse durch Künstliche Intelligenz und Automatisierung beschleunigt und weitestgehend optimiert werden. Mit diesen Technologien ändern sich nicht nur Aufgabenfelder, sondern ganze Berufsbilder, woraus sich gleichzeitig ein politischer Handlungsbedarf ergibt, auf diese Änderungen zu reagieren. Die Studie “2021 Automation and the Future of Work” von Kryon bestätigte, dass Automation für bestimmte Aufgabenbereiche eine Entlastung darstellt. Es werden sich besonders wiederholende Aufgaben, die zeitaufwendig waren und Motivation gekostet haben, ersetzt, während neue Fertigkeiten von Arbeitskräften die Verschmelzung von Technologie und Mensch gewährleisten. Damit kann eine erhebliche Produktivitätssteigerung mit gleichzeitig wachsender Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation erreicht werden, wie eine Umfrage von ServiceNow ermittelte. Und gerade auch deswegen, weil menschliche Kompetenzen in den Vordergrund rücken. Hierzu zählen bspw. Kreativität, Empathie sowie Konfliktfähigkeit – denn den Rest werden die Maschinen erledigen. Damit geht auch ein sich klar abzeichnender Wertewandel einher, ausgelöst durch vorher genannte Verschiebung der verlangten Qualitäten und die flexiblen Möglichkeiten, die das digitale Arbeiten bietet. Eigenständigkeit, Selbstbestimmung, Sinnerfüllung und auch persönliche Entfaltung bilden besonders bei jüngeren Generationen den wesentlichen Teil der Arbeitsmotivation. Stärker in den Fokus rücken nunmehr Familie, Gesundheit und Freizeit, die Suche nach Arbeitgebern verlagert sich auf das Bieten von Entwicklungsmöglichkeiten, ein Mitspracherecht und Anerkennung.
Welche Bedeutung haben Werte im Kontext des digitalen Wandels?
Will man als Unternehmen in dieser sich schnell wandelnden Zeit Konstanten schaffen, mit denen man den Veränderungen des Arbeitsmarktes begegnen kann, liegt es in der Verantwortung der Führungskräfte einen gemeinsamen Wertekatalog und eine verbindende Unternehmenskultur zu schaffen. Können Mitarbeiter sich mit den Werten des Unternehmens identifizieren, kann dem Phänomen Great Resignation vorgebeugt werden. Denn tiefverwurzelte Motivationen rühren meist aus schon sehr früh geprägten Wertvorstellungen, die ihr Verhalten und Gedanken antreiben. Diese sind größtenteils für viel stärkeren und unbewussteren Antrieb verantwortlich, als das alleinige Mindset. Die Digitalisierung ändert nämlich, wie oben erwähnt, die Anforderungen an das Skillset der Arbeitnehmer und ihre Qualifikationen. Der Fachkräftemangel zeigt deutlich, dass sich Unternehmen diesem exponentiellen Wandel nur schwer anpassen können. Fluktuationsraten steigen und kosten Unternehmen pro Mitarbeiter rund 14.900 Euro, einer Studie von Deloitte zufolge. Leider wird dort als häufigster Austrittsgrund die Führung angegeben. Deswegen ist das Wertemanagement und die Unternehmenskultur von wichtiger Bedeutung, um passende Talente anzuziehen und zu halten. Work-Life-Balance und Flexibilität haben bei den agilen Generationen der Digital Natives hohe Priorität – eine digitale Arbeitsumgebung zu bieten, die sich diesen Werten angleicht, wird Unternehmen im War of Talents einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffen und ihre Positionen mit qualifizierten Arbeitnehmern besetzen. Zahlreich durchgeführte Umfragen bestätigten, dass Arbeitnehmer sich künftig wenigstens hybride Formen der Arbeit wünschten. Homeoffice sei auch längst kein Benefit mehr, sondern eher das Neue Normal – das zeigen Befragungen der Millennials, welche besonderen Wert auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf legen.
Was kommt auf Führungskräfte im digitalen Wandel zu?
Der Schwerpunkt in Organisationen wird zukünftig immer mehr in der Bewältigung der komplexen Umstände liegen, was wiederum dazu führt, dass auch von Führungskräften ein völlig anderes Skillset abverlangt wird. Nur mit Agilität und Anpassungsfähigkeit wird es der Führung gelingen, ohne weitreichende negative Konsequenzen weiterhin auf Unternehmensziele hinzuarbeiten. Es bedeutet also vielmehr, dass Führungskräfte ein umfangreiches Soft-Skill-Repertoire besitzen müssen, statt der fachlichen Qualifikationen, die im Zeitalter der Informationsflut zu einer relativen Variable diffundieren. Insbesondere ist hier auch zu betonen, dass Führungskräfte sich intensiver um das Talentmanagement kümmern müssen, um sicherzustellen, dass Fluktuationen wichtiger Positionen niedrig gehalten werden. Dazu sind besonders soziale und emotionale Kompetenzen zielführend – Bewusstsein gegenüber sich selbst, Selbstmanagement, Beziehungsmanagement, das korrekte Einschätzen von Leistungen, eine Beobachtungsgabe und hohe Problemlösungskompetenzen zeichnet Führungskräfte aus, die ein besonderes soziales Fingerspitzengefühl besitzen.
Eine Metastudie des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) ermittelte dazu zwischen den Jahren 2012 und 2018 spannende Ergebnisse: Der Studie nach, die aus 61 Studien mit über 100.000 Personen erstellt wurde, sind aus 86 Führungskompetenzen drei Hauptkompetenzen für den digitalen Wandel ermittelt worden:
- Kommunikationsfähigkeit mit 57 %
- Veränderungsfähigkeit mit 39 %
- Wertschätzung/ Mitarbeiterorientierung mit 33 %
Es konnten dabei weiterhin drei Kompetenzarten unterschieden werden:
Analoge Kompetenzen, die schon vor der Digitalisierung existierten:
- Veränderungsfähigkeit mit 39 %
- Wertschätzung mit 33 %
- Innovationsfähigkeit mit 30 %
Analogitale Kompetenzen, die vor der Digitalisierung schon vorhanden waren, sich jedoch verändert haben:
- Kommunikationsfähigkeit mit 57 %
- Netzwerkfähigkeit mit 26 %
- Entscheidungsfähigkeit mit 25 %
Digitale Kompetenzen, die sich mit der Digitalisierung als signifikant herauskristallisiert haben:
- Transparenzorientierung mit 31 %
- Digital-/IT-Kompetenz mit 28 %
- Heterarchiefähigkeit mit 26 %
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass der digitale Führungsbegriff äußerst komplex sei und somit eine Führungskraft, die diesen Anforderungen passend begegnet, ein sog. „Master of the Universe“ sein solle.
Von Dirk Aaron Bohl
Personalberater für Lebensmittelindustrie, Getränkeindustrie, FMCG, Lebensmitteleinzelhandel und Foodservice
Dirk Aaron Bohl ist Managing Partner der DELTACON Münster Executive Search und unterstützt als Executive Profiler© Unternehmen bei der Besetzung ihrer C-Levels und Geschäftsführer im Bereich FMCG & Lebensmittelindustrie, der Getränkeindustrie sowie dem Foodservice. Davor bekleidete er verschiedene Top-Managementpositionen in namhaften Unternehmen der Lebensmittelindustrie.